_artikel 8a vo (eu) 833/2014: „best-efforts-pflicht“ und ihre praktischen folgen für unternehmen

Im Rahmen des 14. EU-Sanktionspakets gegen Russland wurde mit Wirkung ab dem 25. Juni 2024 der Artikel 8a VO (EU) 833/2014 eingeführt. Danach haben sich natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen (nachfolgend wird sich auf EU-Unternehmen beschränkt) „nach besten Kräften“ zu bemühen, sicherzustellen, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen dieser Verordnung untergraben.
Damit legt Artikel 8a VO (EU) 833/2014 eine sogenannte „Best-Efforts-Verpflichtung“ fest – klare Compliance-Anforderungen an EU-Unternehmen hinsichtlich ihrer ausländischen Tochtergesellschaften.
FAQs der EU-Kommission vom November 2024: Konkretisierung der Pflichten
Am 22. November 2024 – und damit erst einige Monate nach Inkrafttreten des Art. 8a VO (EU) 833/2014 - veröffentlichte die Europäische Kommission FAQs zur „Best-Efforts-Verpflichtung“ und erläutert darin die sich daraus ergebenden Pflichten:
1. Geltungsbereich
Die Pflicht gilt für alle EU-Unternehmen, die ein Nicht-EU-Unternehmen besitzen oder kontrollieren – unabhängig davon, ob sich dieses in Russland oder anderen Drittstaaten befindet.
2. Best-Efforts-Verpflichtung
„Best efforts“ bedeutet, dass alle geeigneten und notwendigen Maßnahmen ergriffen werden müssen, die realistisch und zumutbar sind, um eine Umgehung oder Untergrabung der Sanktionen zu verhindern. Dazu gehören Compliance-Maßnahmen wie die Erstellung und Verbreitung unternehmensinterner Richtlinien, Kontrollen, Schulungen für die Mitarbeiter, Reportingpflichten und der Einrichtung von Verfahren zur schnellen Reaktion auf Verstöße gegen Sanktionen. Der Umfang hängt von der Art, der Größe und dem Risikoprofil des EU-Unternehmens sowie vom Grad seiner Kontrolle über die Nicht-EU-Tochtergesellschaft ab. Diese Compliance-Maßnahmen sind auch in internen Compliance-Programmen („ICP“) oder anderen Berichten zu dokumentieren.
3. Konflikt mit Drittstaatenrecht
Sofern Maßnahmen aufgrund von Drittstaatenrecht (z.B. in Russland) faktisch unmöglich sind, wird dies berücksichtigt. Wenn das EU-Unternehmen keinerlei Kontrolle über die Tochtergesellschaft ausüben kann, kann von dem EU-Unternehmen nicht erwartet werden, gegen eine Untergrabung der Sanktionen vorzugehen.
Dies gilt nicht, wenn das EU-Unternehmen selbst durch schlechte Risikoabwägung oder eigenes Handeln den Kontrollverlust herbeiführt. Dabei sollte EU-Unternehmen bewusst sein, dass Russland ein Land ist, in dem die Rechtsstaatlichkeit praktisch nicht mehr gilt, und dass der russische Staat mehrere Gesetze verabschiedet hat, die ungerechtfertigterweise auf Vermögenswerte von Unternehmen aus „unfreundlichen Ländern“, darunter auch EU-Mitgliedstaaten, abzielen.
4. Bewusstes Dulden von Verstößen
Wenn EU-Unternehmen wissentlich Verstöße ihrer Nicht-EU-Tochter akzeptieren, liegt ein Verstoß gegen Art. 8a VO (EU) 833/2014 vor. Zusätzlich kann ein Verstoß gegen Art. 12 VO (EU) 833/2014 vorliegen, wenn keine angemessene Sorgfalt (Due Diligence) angewandt wurde.
Entwicklungen im August 2025: Neue Regelungen
Die FAQ wurden im August 2025 von der Europäischen Kommission ergänzt und konkretisiert. Darin wird nun präzise zwischen den Begriffen breach (Verstoß), circumvention (Umgehung) und undermining (Untergrabung) differenziert;
- Verstoß: direkte verbotene Handlung (z.B. Export nach Russland)
- Umgehung: formal legale Konstruktion, die bewusst Sanktionen umgehen soll
- Untergrabung: Handlungen, die zwar nicht unmittelbar gegen die Vorschriften verstoßen, aber deren Wirkung schwächen (z.B. Lieferungen durch ausländische Tochtergesellschaften)
Bislang war der Begriff der Untergrabung lediglich abstrakt erwähnt und durch die neuen FAQ erfolgt nun eine praktische Abgrenzung.
Hinsichtlich der „Best Efforts“ wird nun ausdrücklich dargestellt, dass es sich um eine höhere Sorgfaltspflicht als bei den in Verträgen üblichen „reasonable efforts“ handelt. Konkret sind alle notwendigen und machbaren Maßnahmen unter Berücksichtigung von Größe, Risiko, Branche und Compliance-Ressourcen zu ergreifen.
In der Aktualisierung sind auch konkrete Handlungsschritte zur Verhinderung von Verstößen gegen Art. 8a VO (EU) 833/2014 enthalten:
- Risikoanalyse inklusive aller Nicht-EU-Tochtergesellschaften
- Aufbau eines Sanktions-Compliance-Programms
- Vorausschauende Planung für mögliche Ausweitungen auf andere Sanktionsregime
Relevanz und Folgen für Unternehmen
Die neuen FAQ machen deutlich: Untätigkeit ist keine Option. EU-Unternehmen sollten ihre bestehenden Compliance-Maßnahmen kritisch prüfen und ggf. weiterentwickeln. Zudem sollten die EU-Unternehmen die ergriffenen Maßnahmen aktiv dokumentieren und nachweisen können, dass sie alle zumutbaren und machbaren Maßnahmen ergriffen haben, um Untergrabungen der Sanktionen zu verhindern.
Für die Praxis bedeutet das:
- Aufbau oder Stärkung eines Sanctions-Compliance-Programms auch für Auslandstöchter,
- systematische Risikoanalysen und Dokumentation der „best efforts“,
- proaktive Kommunikation und Compliance-Vorgaben gegenüber verbundenen Unternehmen weltweit.
Fazit
Mit den FAQs hat die Kommission den Standard für Sanktions-Compliance deutlich angehoben. Für EU-Unternehmen entsteht dadurch ein erhöhter Handlungsdruck, ihre internationalen Geschäftsstrukturen auf mögliche Sanktionsrisiken hin zu überprüfen und geeignete Compliance-Maßnahmen einzuführen.
Wer frühzeitig reagiert und robuste Prozesse etabliert, kann Haftungsrisiken minimieren und zugleich Rechtssicherheit schaffen.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Einführung und Umsetzung der erforderlichen Strukturen.
Kontakt:
Johanna Dobert, Rechtsanwältin, Associate