_eu-entwaldungsverordnung: neue sorgfaltspflichten für unternehmen ab 2026
Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR, Verordnung (EU) 2023/1115) regelt das Inverkehrbringen und die Ausfuhr bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Ziel der Verordnung ist es, die Einfuhr und den Handel mit Produkten aus entwaldeten Regionen zu verhindern und dadurch die globale Entwaldung zu bekämpfen.
Im folgenden Beitrag geben wir einen Überblick über die wesentlichen Regelungen, den derzeit vorgesehenen Zeitplan und die praktischen Auswirkungen auf europäische Unternehmen.
I. Wer und was ist betroffen?
Die EUDR betrifft sowohl Rohstoffe als auch daraus hergestellte Erzeugnisse. Erfasst werden die Rohstoffe:
- Rinder
- Kakao
- Kaffee
- Ölpalme
- Kautschuk
- Soja
- Holz
sowie alle in Anhang I der EUDR gelisteten Erzeugnisse, einschließlich Konsum- und Industriegütern, die diese Rohstoffe enthalten oder aus ihnen hergestellt wurden. Adressaten der EUDR sind Marktteilnehmer und Händler.
Marktteilnehmer im Sinne der Verordnung sind natürliche oder juristische Personen – unabhängig von Größe oder Rechtsform –, die relevante Erzeugnisse erstmalig auf dem EU-Markt in Verkehr bringen oder aus der EU ausführen (z. B. Importeure).
Händler sind Akteure, die relevante Erzeugnisse nach dem Inverkehrbringen weiter vertreiben oder exportieren. Auch hier spielt die Unternehmensgröße keine Rolle.
Die Unterscheidung ist für die Zuordnung der jeweils geltenden Pflichten relevant.
Kernelement der Verordnung ist das Verbot des Inverkehrbringens und der Ausfuhr der o.g. Produkte, sofern nicht folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 3 EUDR):
- Die Produkte sind entwaldungsfrei,
- die Erzeugung erfolgte rechtskonform nach den Vorschriften des Erzeugerlandes (Art. 2 Nr. 40 EUDR),
- es liegt eine Sorgfaltserklärung gemäß Anhang II der EUDR vor.
Als entwaldungsfrei gelten Produkte nur, wenn die zugrunde liegenden Rohstoffe nicht auf Flächen erzeugt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Eine relevante Entwaldung liegt insbesondere vor, wenn Waldflächen nach diesem Stichtag in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt wurden.
II. Pflichten für Unternehmen
Unternehmen müssen im Rahmen der EUDR umfassende Sorgfaltspflichten (Due Diligence) erfüllen. Dies betrifft insbesondere:
- Informationsbeschaffung zur Rückverfolgbarkeit des Produkts bis zur Anbaufläche (Geokoordinaten)
- Bewertung des Risikos, dass die Produkte nicht entwaldungsfrei sind
- Ggf. sind Maßnehmen zur Risikominimierung zu ergeifen
- Dokumentation und Nachweispflichten
Die konkreten Anforderungen richten sich nach der Unternehmensgröße – insbesondere wird zwischen KMU und Nicht-KMU differenziert.
1. Sorgfaltspflicht (Art. 8 EUDR)
Marktteilnehmer und Nicht-KMU-Händler sind verpflichtet:
- Informationen zu erheben (u. a. Produktzusammensetzung, Geolokalisierungsdaten, Lieferkette),
- eine Risikobewertung gemäß Art. 10 Abs. 2 EUDR durchzuführen (z. B. Waldvorkommen, indigene Bevölkerungsgruppen, Verbreitung von Entwaldung im Ursprungsland),
- ggf. Risikominimierungsmaßnahmen umzusetzen, etwa durch zusätzliche Unterlagen, Audits oder Lieferantenvereinbarungen.
Zusätzlich ist bei Nicht-KMU-Marktteilnehmern ein Compliance-Beauftragter auf Führungsebene zu benennen (Art. 11 Abs. 2 lit. a EUDR).
Nach Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist eine Sorgfaltserklärung abzugeben (Art. 4 Abs. 2 EUDR), die elektronisch an die zuständige Behörde zu übermitteln ist. Sie bestätigt die Durchführung der Sorgfaltspflicht und das Bestehen keines oder nur eines vernachlässigbaren Risikos.
2. Dokumentation und Nachweise
Sämtliche Maßnahmen zur Risikoanalyse und -minderung sind zu dokumentieren und auf Verlangen den zuständigen Behörden vorzulegen. Darüber hinaus müssen relevante Informationen innerhalb der Lieferkette weitergegeben werden, um die Erfüllung der Sorgfaltspflicht nachzuweisen.
3. Pflichten für KMU
Grundsätzlich gelten auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die wesentlichen Verbote der EUDR (Art. 3 EUDR). Sie unterliegen jedoch vereinfachten Anforderungen:
- Wenn die Produkte bereits einer vollständigen Sorgfaltspflichtprüfung unterzogen wurden und eine Sorgfaltserklärung vorliegt, entfällt für KMU-Marktteilnehmer die Pflicht zur erneuten Durchführung (Art. 8 Abs. 8 EUDR).
- KMU-Marktteilnehmer unterliegen erleichterten Berichtspflichten (Art. 12 Abs. 3 EUDR).
KMU-Händler müssen insbesondere keine vollständige Sorgfaltspflichtprüfung durchführen, sind jedoch verpflichtet, relevante Informationen zur Rückverfolgbarkeit und Risikobewertung bereitzuhalten und auf Verlangen der Behörden offenzulegen. Die Verpflichtungen der Händler zielen darauf ab, die Transparenz und Integrität der Lieferketten auch nach dem Inverkehrbringen sicherzustellen (vgl. Art. 5 Abs. 2-5 EUDR).
III. Zeitplan
Die EUDR ist zwar bereits im Juni 2023 in Kraft getreten, jedoch wurde der Anwendungsbeginn der Pflichten vom 30. Dezember 2024 bereits um ein Jahr verschoben. Die Anwendung der Pflichten erfolgt gestaffelt:
- Ab dem 30. Dezember 2025 für große Unternehmen
- Ab dem 30. Juni 2026 für kleine und Kleinstunternehmen
Nachdem die Umweltkommissarin Jessika Roswall erneut eine einjährige Verschiebung vorgeschlagen hat, ist aktuell eine weitere auf kleine Unternehmen beschränkte Verlängerung bis Dezember 2026 im politischen Diskurs. Eine generelle Verschiebung für alle Unternehmen ist derzeit jedoch nicht vorgesehen.
Nach erheblicher Kritik aus der Wirtschaft aufgrund der hohen Belastungen durch bürokratische Auflagen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Berichtspflichten zu vereinfachen. Wann und in welcher Form die EUDR Geltung erlangen wird, ist derzeit offen.
IV. Durchsetzung und Sanktionen
Die Sanktionen bei Verstößen gegen die EUDR werden von den Mitgliedstaaten festgelegt (Art. 25 Abs. 1 EUDR), müssen aber wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Zu möglichen Sanktionen zählen:
- Geldbußen, die den wirtschaftlichen Gewinn abschöpfen,
- Bußgelder i. H. v. mindestens 4 % des jährlichen EU-weiten Umsatzes (bei juristischen Personen),
- Einziehung der betroffenen Produkte oder daraus erzielter Erlöse.
V. Konkrete Handlungsanforderungen für Unternehmen
Unternehmen sollten zeitnah folgende Maßnahmen umsetzen:
- Durchführung einer Lieferkettenanalyse zu betroffenen Rohstoffen
- Aufbau von Geolokalisierungs- und Rückverfolgungssystemen bis auf Parzellenebene
- Entwicklung standardisierter Risikobewertungen und Dokumentationsprozesse
- Überarbeitung von Lieferantenverträgen mit:
- Zusicherungen zur Entwaldungsfreiheit,
- Audit- und Kontrollrechten,
- Offenlegungspflichten zur Herkunft,
- Sanktionen bei Verstößen,
- Mechanismen zur Rückabwicklung und kostenneutralen Ersatzlieferungen
- Anpassung von IT-Systemen, Reporting-Prozessen und Compliance-Workflows
- Einrichtung effizienter Nachweis- und Auskunftsprozesse
VI. Fazit
Die EU-Entwaldungsverordnung bringt für Unternehmen erhebliche neue Anforderungen im Bereich Beschaffung, Dokumentation und Vertragspraxis mit sich. Der Aufwand zur Risikoermittlung, Rückverfolgbarkeit und Nachweiserbringung ist hoch. Eine frühzeitige Implementierung entsprechender Prozesse ist daher dringend zu empfehlen – auch wenn eine Verschiebung des Anwendungsbeginns einzelner Vorschriften im Raum steht.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie umfassend bei der rechtssicheren Umsetzung der EUDR:
- Durchführung von Risikoanalysen,
- rechtssichere Vertragsgestaltung mit Lieferanten und Dienstleistern,
- Aufbau von Dokumentations- und Nachweisprozessen.
Sprechen Sie uns gerne an.
Dr. Benjamin Knebel, Rechtsanwalt
knebel@clayston.com
Johanna Dobert, Rechtsanwältin, Associate
