_informationspflichten: arbeit auf abruf innerhalb klarer grenzen

Wann und wieviel gearbeitet wird, soll vorher feststehen. Mit der seit August 2022 wirksamen deutschen Umsetzung der EU-Richtlinie (2019/1152) treffen Arbeitgeber erweiterte Informationspflichten sowie mögliche Bußgelder. Arbeitsbedingungen sollen vorhersehbar und transparent sein. Die Rechte von Leiharbeitern werden gestärkt. Flexible Arbeit mit schwankendem Einkommen wird begrenzt.
Änderungen der Arbeitsgesetze im Überblick
Seit August 2022 gibt es Neuregelungen:
- im Nachweisgesetz (NachwG) bezüglich Pflichtangaben in Arbeitsverträgen
- im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bezüglich Informations- und Reaktionspflichten gegenüber Leiharbeitern
- im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bezüglich Informations- und Reaktionspflichten gegenüber Arbeitnehmern sowie bezüglich der Ausgestaltung von Arbeit auf Abruf: Einführung eines eindeutigen Zeitrahmens.
Seit September 2022 gibt es die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfasssung aus § 4 Abs. 2 Nr.1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) – gerichtlich bestätigt durch das Bundesarbeitsgericht.
Noch in diesem Jahr wird die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetz erwartet. Nachdem Unternehmen verpflichtet sind eine interne Meldestelle für Rechtsverstöße einzurichten.
Erweitere Pflichtangaben in Arbeitsverträgen
Neu ist einerseits, dass Verstöße gegen das Nachweisgesetz nun mit Bußgeldern bis zu 2000 Euro belegt sind. Andererseits wird der Katalog von verpflichtenden Vertragsbedingungen erweitert.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG müssen in Arbeitsverträgen folgende Bedingungen enthalten sein:
- 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
- 2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
- 3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- 4. Der Arbeitsort
- 5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- 6. sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
- 7. Umfassende Angabe zum Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
- 8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
- 9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
- a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
- b) die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die - Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d) die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus - mitzuteilen hat,
- 10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen 11. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
12. ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, - 13. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
- 14. Verfahren bei Kündigung. Hinweis auf Schriftformerfordernis sowie auf Fristen, einschließlich die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
- 15. Hinweis auf Tarifverträge etc.
Fristen
Laut § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG müssen die Vertragsbedingungen schriftlich und vom Arbeitgeber unterzeichnet dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden. Spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung muss in dem Dokument der Vertragspartner, der Lohn und die Arbeitszeit angezeigt sein. Spätestens sieben Tage nach Arbeitsantritt müssen auch die Vereinbarungen über Beginn des Vertrages, Probezeit, Überstunden, Teilzeit-, Schichtarbeit schriftlich und unterschrieben ausgehändigt werden. Innerhalb eines Monats müssen sodann Regelungen über Urlaub, Fortbildung, Altersvorsorge und Kündigung schriftlich dargelegt sein.
Was geschieht mit bestehenden Arbeitsverträgen
Grundsätzlich müssen bestehende Arbeitsverträge nicht angepasst werden. Der Arbeitnehmer kann aber gemäß § 5 NachwG eine Vertragsanpassung verlangen.
Informationspflichten gegenüber Leiharbeitern
Die Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) begründen erweiterte Informations- sowie Reaktionspflichten des/der Arbeitsgebers(in). So sind Verleiher nach § 11 Abs. 2 AÜG verpflichtet dem/der Leiharbeiter/in gegenüber schriftlich Mitteilung über Firma und Anschrift zu machen, an dem er/sie verliehen werden soll. Außerdem ist ein Merkblatt über das Gesetz auszuhändigen
Weiterhin muss das Unternehmen darüber informieren, welche Arbeitsstellen derzeit regulär zu besetzen sind. Auf das Übernahmegesuch eines Arbeitnehmers muss das Unternehmen in der Regel schriftlich und begründet reagieren. Das gilt erst ab einer Beschäftigungsdauer von sechs Monaten.
Arbeit auf Abruf: vertragliche Grenzen
Analoge Informations- und Reaktionspflichten finden sich auch in der Novelle des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Auf den Wunsch die Lage und/oder Dauer der Arbeit zu verändern, muss der Arbeitgeber schriftlich und begründet reagieren. Zusätzlich hat der Arbeitgeber über freie unbefristete Positionen zu informieren
Neu ist ebenso, dass die Arbeitsleistung nach Arbeitsanfall (Arbeit auf Abruf) gemäß § 12 TzBfG strikter geregelt ist. Bisher reichte die Angabe einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit pro Woche. Von der Mindestarbeitszeit darf der Arbeitgeber maximal 25 % mehr verlangen und von der Höchstarbeitszeit lediglich 20 % weniger abrufen. Zusätzlich muss nun im Vertrag auch der Zeitrahmen der Arbeitsleistung festgeschrieben sein, d.i. es müssen Referenzstunden und Referenztage angeben sein. Eine Verpflichtung für den Arbeitnehmer besteht nur dann, wenn der Bedarf vier Tage im Voraus angemeldet wird.
Beispiel für die Neuregelung der Arbeit auf Abruf
- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 16 Stunden.
- Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anforderung des Arbeitgebers bis zu 4 Stunden pro Woche zusätzlich Arbeit zu leisten; die zusätzliche Arbeitszeit beträgt höchstens 25% der in Satz 1 vereinbarten Mindestarbeitszeit. Ein Anspruch auf zusätzliche Beschäftigung besteht auch nach mehrmaligem Abruf einer erhöhten Arbeitszeit nicht.
- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann nach dem betrieblichen Bedarf ungleichmäßig verteilt werden. Dabei erfolgt der Abruf der Arbeit an den Tagen montags, dienstags und mittwochs (Referenztage) jeweils in der Zeit von 8.00 bis 18.00 Uhr (Referenzstunden).
- Innerhalb eines Ausgleichszeitraumes von längstens 26 Wochen muss jedoch im Durchschnitt die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 16 Stunden erreicht werden.
Weitere Neureglungen in Kürze
Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13.09.2022 festgestellt hat, besteht eine Verpflichtung zur Dokumentation der tatsächlichen Arbeitsleistung. Verpflichtend muss der Beginn, die Dauer und das Ende der Arbeit erfasst werden. Allerdings hat das BAG keine Aussagen über die Form getroffen. Dies bedeutet, dass die Verpflichtung auch an die Arbeitnehmer delegiert werden kann
Hinweisgeberschutzgesetz
Hinweise über Rechtsverstöße sollen erleichtert werden. Mit der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie werden Unternehmen verpflichtet interne Meldestelle einzurichten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kontaktieren können. Derzeit befindet sich der Gesetzesentwurf beim Bundesrat. Inkrafttreten wird das Hinweisgeberschutzgesetz vermutlich noch um ersten Quartal 2023.
Kontakt
Danijela Freifrau von Gültlingen, Fachanwältin für Arbeitsrecht.